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Thema des Tages
Ausgegeben vom Deutschen Wetterdienst. Neueste Meldung oben

Wissenschaft kompakt


Die Paradoxie der maskierten Kaltfront



Bei winterlichen Kaltfrontpassagen kommt es nicht selten vor, dass
sich die Luft zunächst erwärmt statt abkühlt. Wie sich diese
scheinbar paradoxe Temperaturänderung einstellen kann, erklären wir
im heutigen Thema des Tages.



Dass Tiefdruckgebiete, die in mittleren Breiten entlang der
Polarfront entstehen, stets Kalt-, Warm- und Mischfronten ausbilden,
dürfte zumindest regelmäßigen Lesern dieses Mediums bekannt sein.
Scheinbar selbstredend sorgen Warmfronten für einen Temperaturanstieg
und Kaltfronten für einen Temperaturrückgang, während Mischfronten,
die sogenannten Okklusionen, jegliche, aber meist eher geringe
Temperaturänderungen hervorrufen können. Doch gerade die winterliche
Kaltfront vermag ihr Charakteristikum manchmal zu verschleiern. So
führt diese im meteorologischen Fachjargon als "maskiert" bezeichnete
Kaltfront zu einem zumindest vorübergehenden, scheinbar paradoxen
Temperaturanstieg. Wie kommt es dazu?

Einer maskierten Kaltfront geht stets eine ruhige Hochdruckwetterlage
voran. Im Sommer bedeutet das meist viel Sonnenschein. Dieser sorgt
für einen Energieüberschuss und damit für eine sukzessive Erwärmung.
Im Winter herrscht dagegen ein Energiedefizit. Die Luft kühlt sich in
den langen Nächten immer weiter ab. Die ohnehin bräsige, weil schwere
Kaltluft, kann sich bei windschwachen Verhältnissen bodennah immer
weiter ansammeln. Je länger also die windschwache Hochdruckwetterlage
anhält, desto kälter wird es. Lediglich die Hochlagen, die aus dieser
Kaltluftschicht herausragen, können von wärmerer Luft profitieren. Es
herrscht folglich ein inverses Temperaturprofil, eine sogenannte
"Inversion", bei der die Temperatur mit der Höhe nicht ab-, sondern
zunimmt.

Wenn sich nun aber eine Kaltfront nähert, macht sie dieser bräsigen,
flachen Kaltluftschicht sprichwörtlich Beine. Alleine schon durch den
zunehmenden Wind und durch vertikale Luftmassenumwälzungen sorgt sie
dafür, dass sich die Inversion abschwächt und sich auflöst. Im
Fachjargon spricht man auch von "Durchmischung", die dafür sorgt,
dass sich wieder ein "normales" Temperaturprofil (unten warm, oben
kalt) einstellt. Luftpakete, die sich vertikal nach oben und unten
bewegen, erfahren nämlich sogenannte "adiabatische
Zustandsänderungen", ohne, dass dem Luftpaket Wärme zu- oder
abgeführt wird. Alleine durch die gravitationsbedingte Änderung des
Luftdruckes mit der Höhe ändert sich die Temperatur. Steigt ein
Luftpaket nach oben, dehnt es sich durch die äußere Druckabnahme aus
und kühlt ab. Sinkt ein Luftpaket nach unten, wird es durch
Druckzunahme gestaucht und erwärmt sich. Alleine dieser Prozess der
Durchmischung führt also dazu, dass es bodennah wärmer wird und sich
die Abkühlung lediglich auf die Hochlagen beschränkt.

Dazu kommt noch ein weiterer Effekt: Hinter Kaltfronten setzt sich
hierzulande zunächst oft maritime Polarluft durch, also Kaltluft, die
über dem Atlantik oder der Nordsee stark erwärmt wurde und nicht
selten wärmer ist als die unter Hochdruckeinfluss mitunter tagelang
gealterte und abgekühlte Luft. Nur, wenn die Kaltluftzufuhr
unmittelbar aus polaren Breiten länger anhält oder die Kaltluft ihren
maritimen Charakter verliert, kühlt es auch in tieferen Lagen wieder
ab.

Die genaue Temperaturvorhersage bzw. die Vorhersage des
Temperaturprofils gestaltet sich bei einer solchen maskierten
Kaltfrontpassage vor allem im hügeligen Terrain schwierig. Der
Luftmassenaustausch vollzieht sich - je nach Orientierung von Tälern
und Bergrücken - teils sehr unterschiedlich schnell. Da der
Niederschlag durch die unterschiedlich temperierten Luftschichten
hindurchfallen muss, führen die Unwägbarkeiten der
Temperaturvorhersage unmittelbar auch zu größeren Unsicherheiten bei
der Vorhersage der Niederschlagsphase. Typischerweise fallen die mit
einer maskierten Kaltluft einhergehenden Niederschläge je nach
Mächtigkeit der Kaltluftschicht anfangs bis in tiefe Lagen teils als
gefrierender Regen oder Schnee, gehen dann aber nach Ausräumen der
Inversion zunächst wieder vermehrt in Regen über. Je nach Stärke und
Andauer der Kaltluftzufuhr beginnt die Schneefallgrenze mit etwas
Abstand hinter der Kaltfront im Verlauf wieder abzusinken.

Eine maskierte Kaltfront kann die Wettervorhersage also stark
verkomplizieren. Wenn in Wetterberichten die Rede davon ist, kann
also davon ausgegangen werden, dass uns Meteorologen nicht selten die
Köpfe rauchen.


Dipl.-Met. Adrian Leyser

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.12.2024

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst



Wissen Kompakt


Gegenstrahlung


Das heutige Thema des Tages beschäftigt sich mit einem konkreten
Beispiel für Gegenstrahlung am 01.12.2024 im Rhein-Main-Gebiet
(Mainz).


Der Strahlungshaushalt bzw. die Strahlungsbilanz ist ein wesentlicher
Faktor für die in der Atmosphäre ablaufenden Prozesse. Dabei
unterscheidet man in einem ersten groben Schritt einerseits die von
der Sonne ausgestrahlte kurzwellige und sehr energiereiche Strahlung
und andererseits die von der Erde ausgestrahlte langwellige
(Wärme-)Strahlung. Bei genauerem Hinsehen werden beide
Strahlungsarten auf ihrem Weg durch die Atmosphäre in vielfältiger
Weise verändert, teils nur bezüglich ihrer Ausbreitungsrichtung,
teils nur bezüglich ihres Wellenlängen-Spektrums - und manchmal auch
bezüglich beider Eigenschaften.
Im heutigen Thema des Tages werfen wir einen Blick auf die
Wärmestrahlung der Erde. Sie hat einen Energieverlust für den
Erdkörper zur Folge, der umso höher ist, je besser die Wärmestrahlung
durch die Atmosphäre in den Weltraum gelangen kann. Umgekehrt ist der
Energieverlust dann gering, wenn ein großer Teil der irdischen
Strahlung, z. B. durch Reflektion, wieder zur Erde zurück gelangt.
Diesen Teil der irdischen Wärmestrahlung bezeichnet man als
Gegenstrahlung, weil sie dem physikalischen "Drang" der Erde, Energie
abzugeben, entgegensteht.

Sozusagen im "Gegenstrahlungs-Fokus" stehen aktuell natürlich die
Treibhausgase und in der Folge der Klimawandel. Aber auch Wasserdampf
und mithin die Wolken sind sehr effektive "Gegenstrahler". Ein
schönes Beispiel dafür zeigte sich am vorvergangenen Wochenende im
Rhein-Main-Gebiet.

In der Abbildung 1 ist dazu der Temperaturverlauf am Messfeld des
Instituts für Physik der Atmosphäre der Johannes
Gutenberg-Universität in Mainz vom 29.11. bis 4.12.2024 angegeben.
Genau genommen sind es sogar mehrere Temperaturverläufe, nämlich die
Temperatur in 2 m Höhe (rot), in 20 cm Höhe (grün) und in 5 cm Höhe
(blau). Die vierte Kurve (Taupunkt) ist ein Maß für die Feuchtigkeit.
Letztendlich kann man sich für unsere Überlegungen eine der drei
erstgenannten Kurven aussuchen, die zugrunde liegenden Prozesse sind
bei allen Temperaturkurven gleich.

In der Nacht von Freitag auf Samstag (29.11. auf 30.11.) war der
Temperaturverlauf (bzw. sind alle drei Temperaturverläufe) weitgehend
so, wie man es erwartet. Die Temperatur sank - abgesehen von einem
kleinen Peak nach oben zu Beginn der zweiten Nachthälfte)
kontinuierlich ab. Gegen 07 Uhr MEZ am Morgen (Pfeil 1) und damit
kurz nach Sonnenaufgang sorgte der solare Strahlungsinput dann für
einen Temperaturanstieg bis etwa zur Mittagszeit. Am Nachmittag
gewann die Ausstrahlung der Erde dann gegenüber der solaren
Einstrahlung die Oberhand und die Temperatur sank wieder ab. Diese
Temperaturkurve ist typisch für sogenanntes Strahlungswetter, das
sich durch wolkenarme oder wolkenlose Gegebenheiten auszeichnet.
In der Nacht zum Sonntag passierte dann aber Ungewöhnliches. Schon
gegen 02 Uhr MEZ (Pfeil 2) begann die Temperatur zu steigen. Eine
mögliche Option wäre natürlich Warmluftadvektion gewesen, allerdings
war der Wind schwach (Hochdruckeinfluss). Stattdessen kann man die
Erklärung aus Abbildung 2 herauslesen.

In dieser ist die tiefe Bewölkung dargestellt, wie sie unser Modell
ICON-EU für die Nacht vom 30.11. zum 1.12. vorhergesagt hat. Um 21
UTC am 30.11. (22 Uhr MEZ, oben links) war Mainz (roter Kreis) laut
Modell noch frei von tiefer Bewölkung. In der frühen zweiten
Nachthälfte (00 UTC entsprechend 01 Uhr MEZ), also kurz vor Beginn
des Temperaturanstiegs an der Johannes Gutenberg-Universität,
verdichtete sich die tiefe Bewölkung (oben rechts). Im weiteren
Verlauf der Nacht zog die Bewölkung immer weiter zu (unten, von links
nach rechts). Damit verstärkte sich die Gegenstrahlung und der
Temperaturanstieg schritt bis in die Morgenstunden voran. Übrigens:
Das wird auch der Grund für den kleinen Temperaturpeak in der Nacht
zum Samstag gewesen sein.
Mit Tagesbeginn schwang das "Strahlungspendel" aber zurück. Nunmehr
dämpfte die Bewölkung die solare Einstrahlung, entsprechend stieg die
Temperatur nur sehr zögerlich an - kein Vergleich zur raschen
Temperaturzunahme am Vortag. Dafür hielt der kontinuierliche
Temperaturanstieg bis in die Nacht zum Dienstag an. Dies war aber der
Warnluftadvektion durch Frontensysteme geschuldet.

In weiten Teilen des Rhein-Main-Gebiets war der 1.12. somit kein
freundlicher Tag. Die Betonung liegt auf "in weiten Teilen". Denn wer
sich die Mühe gemacht hat auf den Feldberg im Taunus zu wandern,
konnte ein spektakuläres Panorama bewundern (Abbildung 3, mit
freundlicher Genehmigung von foto-webcam.eu).

Bilder zum Thema des Tages finden Sie hier: Wetter und Klima -
Deutscher Wetterdienst - Neuestes Thema des Tages


Dipl.-Met. Martin Jonas

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.12.2024

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst





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